Aus einem aktuellen Anlaß wird "Frank" noch etwas warten müssen.
Aber dieses Thema brennt mir gerade unter den Nägeln:
Seit einiger Zeit habe ich „Connections“ zu einem Kindergarten, und meine Arbeit dort ermöglicht mir, der ich selbst keine Kinder habe, dann doch noch, einige interessante Erfahrungen mit Kindern zu machen.
Es gibt aber auch Erlebnisse mit den Erzieherinnen, die mir nicht besonders gefallen; ja, die ich als falsch empfinde.
Nur ringe ich gerade darum, zu einer besseren Lösung zu kommen.
Ein Beispiel:
Zwei kleine Jungen, nennen wir sie Uli und Tim, geraten in Streit miteinander. Uli schlägt, Tim schlägt zurück, und Uli schlägt wiederum zurück.
Und schon gibt es eine heftige „Klopperei“.
Die Erzieherin sieht das natürlich (oder auch nicht natürlich...) und ruft den beiden Streithähnen in aggressivem Ton zu, sie sollen aufhören, sich zu schlagen.
„Schlagen ist verboten!“
Dabei aber bewegt sie sich nicht von ihrer Stelle.
„Der hat aber angefangen!“, schreit Uli, und schon schreit Tim zurück: „Stimmt ja gar nicht!“
„Nein,
DU hast als Erster geschlagen, das habe ich genau gesehen!“ tönt es seitens der Erzieherin, und schon muß Uli für 5 Minuten auf die Bank.
Solche Fälle sind sicherlich in jedem Kindergarten an der Tagesordnung, denke ich.
Betrachten wir aber einmal den Ablauf des Konfliktes genauer:
Uli spielt mit einem kleinen Bagger im Sandkasten. Dieser Bagger ist ein Einzelstück; den gibt es also nicht nochmals.
Tim will aber genau in diesem Moment ebenfalls genau diesen Bagger haben, aber Uli gibt ihn nicht freiwillig her. Warum auch? Er hat ihn sich zuerst ausgesucht. Er ist also temporär „stolzer Baggerbesitzer“.
Tim ist jedoch ungeduldig, wie Kinder nun einmal sind. Kinder leben im „Jetzt“, für sie ist die Gegenwart total. Wenn man ihm sagen würde: „In 10 Minuten kannst Du den Bagger haben“, ist es so, als sagte man ihm: „Komm in 100 Jahren noch mal wieder!“
Also entreißt Tim Uli den Bagger.
Uli – soeben um den Bagger betrogen- wird selbstredend wütend und versucht, Tim das Spielzeug wieder abzunehmen. Aber das gelingt ihm nicht.
Und so schlägt er –wütend, dass man ihm das Spielzeug entrissen hat und frustriert darüber, es nicht zurückzubekommen- zu!
Der Anfang einer Prügelei also.
Den eigentlichen Konflikt hat die Erzieherin nicht miterlebt, da dieser noch unauffällig ablief.
Erst der erste Schlag, der mit einem wütenden Schrei einherging, ließ sie aufmerksam werden.
Beide werden zurechtgewiesen, dass Schlagen verboten sei, aber Uli´s Protest „Der hat aber angefangen“ wird mit „Nein,
DU hast als Erster geschlagen, das habe ich genau gesehen!“ abgeschmettert.
Nun gut: Uli hat als Erster geschlagen. Aber dieser Schlag hatte einen Hintergrund!
Dennoch kommt Uli als „Erst-Täter“ auf die Strafbank.
Doch der Auslöser des Konfliktes ist Tim – und der sitzt nun quietschvergnügt im Sandkasten, hat den Bagger und lacht Uli rotzfrech entgegen!
Uli hat eben
nicht „angefangen“. Er hat verteidigt, was ihm (zumindest zu dieser Zeit) gehörte. Er hat versucht, es zurückzubekommen, aber Tim war vielleicht geschickter oder auch stärker und ließ es sich nicht wieder abnehmen. Zuzuschlagen war sein Versuch, den Konflikt zu „lösen“. Und die Auswirkung davon, dass er seine Wut und seine Frustration auslebte.
Jeder, der seine eigene Kindheit nicht völlig vergessen (oder verdrängt…) hat, sollte nachempfinden können, wie Uli sich fühlt.
„
Wehe dem Besiegten!“
Mir stößt es unangenehm auf, dass scheinbar niemand daran interessiert ist, solche Konflikte zu lösen und den Kindern gewaltfreie Konfliktlösung beizubringen.Uli fügt sich seinem Schicksal.
Er nimmt es hin,
weil er weiß, dass ein Aufbegehren eine noch schärfere Zurechtweisung nach sich zieht.
Aber annehmen?
Nein, dass wird niemand können, der ein natürliches Empfinden hat.
Einen Tag später:
Uli hat wieder den Bagger. Es ist sein Lieblingsspielzeug. Diesmal ist es Hans, der ihn ihm wegnimmt.
Und nun sieht Uli „rot“:
Nicht nur, dass man ihm wieder sein Spielzeug wegnimmt – nein, die Wut und die Frustration vom Vortage sind weiß Gott noch nicht vergessen.
Kinder vergessen nicht!
Schon gar nicht die Demütigung, zu Unrecht bestraft worden zu sein!
Im Bruchteil eines Augenblickes hat er Hans mit der in Reichweite gelegenen Schaufel so kraftvoll auf den Kopf geschlagen, dass dieser vor Schmerz laut brüllend zusammensackt.
Die Erzieherin –eine andere als tags zuvor- hat diesen Ablauf beobachtet.
Für sie ist die überaus starke Reaktion Uli´s auf einen scheinbar banalen Auslöser (der Wegnahme des Spielzeugs) sowohl absolut unangemessen als auch ebenso unverständlich.
Von 5 Minuten auf der Strafbank hätte Uli diesmal nur träumen können. Die Bestrafung fällt ungleich härter aus.
Und die Mama wird natürlich auch in Kenntnis gesetzt, als sie nachmittags ihren Sprößling abholt.
Vielleicht hat die Sache ja zu Hause auch noch ein Nachspiel.....
Könnt Ihr nachempfinden, wie es in Uli aussieht, der sich nun zum zweiten Mal ungerecht behandelt fühlt?
Ich schon.
Vielleicht wird Uli nun stets „aus der Haut fahren“ bei scheinbar nichtigen Anlässen, weil ihm einerseits nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, „sein Recht zu verteidigen“, sondern auch nicht, seine Gefühle von Wut und Frustration ausleben zu dürfen.
Diese aber stauen sich von Fall zu Fall auf.
Und plötzlich gilt Uli als „aggressives Kind“.
Wehe dem Besiegten!Wie aber bringt man nun Kindern gewaltfreie Konfliktlösung bei?