Hallo Mat,
du schreibst: "Ich bin durch „Hilfe“ zu oft und zu tief gedemütigt worden, als dass ich auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendete. Ich käme niemals auf die Idee, mich jemals wieder darauf einzulassen.
Wer gäbe mir die Garantie, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholte?
Man hat mir auch damals Vertrauen vorgelogen, und dafür habe ich überaus teuer bezahlt!
Und ich sehe darin auch nichts Unstimmiges. Es ist das Resultat meiner Erfahrungen."
Ich spreche jetzt nur von der "Hilfe" und von der Hilfestellung, die innerhalb einer Gruppe zu bekommen ist, und nicht von der Hilfe durch eine einzige Person, die auf Dauer in der Regel sowieso nicht durchhalten kann. Menschen sind eben so, sie sagen zum Beispiel heute, ich liebe dich, und morgen hat sich diese Liebe wieder aufgelöst. Sie sagen zum Beispiel, du kannst dich immer auf mich verlassen, und morgen sagen sie, dass sie sich von dir zurückziehen müssen, weil du ihnen nicht mehr guttust...
So sind die Menschen. Die einzige Bindung die immer bestehen bleibt, ist die Bindung zwischen Eltern und Kindern. Doch auch in dieser Bindung geht es oft nicht harmonisch zu. Kinder halten sich von ihren Eltern fern, und Eltern gehen ihren Kindern aus dem Weg, weil die zwischenmenschlichen Konflikte zu groß sind und im Moment nicht lösbar.
Ich gehe in die Meetings von CoDA, und dort geht es um die Beziehungen zwischen Menschen, die nicht funktionieren. Beziehungen aller Art, zwischen Eltern und ihren Kindern, zwischen Freunden, zwischen Partnern, zwischen Nachbarn, zwischen Arbeitskollegen, zwischen Menschen die sich zufällig begegnen...usw.
" Wir sind unfähig, gesunde und liebevolle Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten" heißt es in der Präambel von CoDA, weil wir uns Co-Abhängig, also krank in zwischenmenschlichen Kontakten verhalten. Weil wir es nicht können, weil unsere Eltern es schon nicht konnten, und weil wir das Muster übernommen haben. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben.
In diesen Meetings geht es anders zu als in normalen Interaktionsgruppen. In den Meetings heißt es " Prinzipien über Personen" Es geht in erster Linie um das "Zwölf Schritte Programm," das ist die einzige Voraussetzung, dass man sich diesem Programm anvertraut, und das man den Wunsch hat von der Krankheit zu genesen. Wer das Zwölf Schritte Programm ablehnt, der wird in der Regel auch nicht lange bleiben. Wer nur wegen der Menschen kommt, der wird enttäuscht werden. Denn in den Meetings treffen erst einmal nur kranke Menschen aufeinander, die alle nicht fähig sind, gesunde Beziehungen einzugehen, ansonsten wären sie nicht dort. Im Lauf der Zeit wird man dann in den Meetings gesund und beziehungsfähig, das ist das Ziel. Doch bis man das ansatzweise erreicht hat, werden in der Regel viele Meetings besucht, und es vergehen viele vierundzwanzig Stunden...
Es gibt genügend Berichte und Lebensgeschichten in der A Literatur, von Menschen, die diesen Prozess durchlaufen haben. Das AA Programm gibt es in Amerika seit 1935 und nach Deutschland kam nach dem Krieg. Die amerikanischen Soldaten hielten in Deutschland ihre Meetings ab, um trocken bleiben zu können..so habe ich das gehört. Und aus diesem AA Programm wurden alle andern Zwölf Schritte Programme für die verschiedenen Problembereiche entwickelt.
In den Meetings geht es um Annahme und Akzeptanz jedes einzelnen, es gibt die "Zwölf Traditionen" an denen man sich gut orientieren kann, die von AA und von EA sind sehr gut geschrieben. Niemand wird abgelehnt, niemand wird ausgegrenzt, niemand wird kritisiert, gewertet, oder beurteilt. Jeder kann sich in seinem Tempo entwickeln. Man kann in einem Meeting sprechen oder die ganze Zeit schweigen, niemand wird zu irgendetwas gezwungen, Es findet keine Diskussion statt. Es sind Monologe die sich aneinanderreihen, von daher gibt es auch keine miese Stimmung. Jeder kann kommen oder gehen wann er will, jeder kann Dienste übernehmen, oder sich aus allem raushalten.
So eine Freiheit habe ich bisher noch nie erfahren, und aus dieser Freiheit heraus entsteht neues Vertrauen und Genesung.
Doch das ist ein Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt und es geht einem beileibe nicht immer gut, wenn man ein Meeting verlässt, weil viele eigene Themen angetriggert werden. Es geht in einem Meeting nicht "um schön gemütlich", sondern um "Weiterentwicklung" für alle.
Die höchste Autorität ist Gott, und alle anderen sind gleichberechtigt. Das ist die "Hilfe" die sich gegenseitig in einem Meeting gegeben werden kann, und die ist sehr gesund, und das sind meine Erfahrungen.....
Liebe Grüße
Noelle