Da ich morgen im Heim ein Referat zum Thema Demenz halten muß (hat mich in den letzten Tagen eine Menge Arbeit gekostet
) und ich mir dachte, daß es hier vielleicht von Interesse sein könnte, wie ein Dementer lebt, möchte ich es einmal hier veröffentlichen.
Demenz
Die Demenz (lat. De Mentia = ohne Geist) bezeichnet einen organisch bedingten Verlust der geistigen Fähigkeiten eines Menschen, der in fortschreitendem Verlauf zu einer erheblichen Veränderung der Persönlichkeit führt. Sie ist eine typische Erkrankung des alternden Menschen.
Die Verteilung nach Altersgruppen sieht nach der Berliner Altersstudie wie folgt aus (wikipedia):
65- bis 69-Jährige 1,2 %
70- bis 74-Jährige 2,8 %
75- bis 79-Jährige 6,0 %
80- bis 84-Jährige 13,3 %
85- bis 89-Jährige 23,9 %
über 90-Jährige 34,6 %
Demenzerkrankungen unter dem 65. Lebensjahr sind selten (1:1000).
Die Ursachen können vielschichtig sein. Neben generativen (abbauenden) Veränderungen gibt es eine genetische (ererbte) Komponente. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Mellitus oder Schilddrüsenerkrankungen können Demenz verursachen. Weitere Auslöser können Störungen in der Durchblutung und eine damit einhergehende Sauerstoffunterversorgung des Gehirns sein; nicht zuletzt auch hervorgerufen durch einen Schlaganfall.
Typisch ist eine zunehmende Schrumpfung des Gehirns mit einer Bildung von liquorgefüllten Hohlräumen (Liquor cerebrospinalis = Hirn-Rückenmarksflüssigkeit).
Bei der Alzheimer-Demenz sind die Ursachen ungeklärt.
Eine Demenz entwickelt sich üblicherweise sehr langsam; zumeist über Jahre hinaus.
Symptome:
Der Beginn einer Demenz zeigt sich eher harmlos. Der Betroffene kann sich Dinge und Inhalte schlecht merken, seine Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Oft ist er zerstreut, findet Dinge, die er zuvor noch in den Händen hielt, nicht wieder. Er vergisst Dinge, die er vor Beginn der Erkrankung noch wusste, und vermischt Gedächtnisinhalte. So ordnet er z.B. Geburtstage den falschen Personen zu, vergisst Termine und Erledigungen. Vor allem neue Dinge kann er sich zunehmend schlechter merken. Es wird ihm auch immer schwieriger, wichtige von unwichtigen Dingen zu unterscheiden.
Anfangs verharmlost er seine nachlassenden geistigen Kräfte.
Im weiteren Verlauf verliert er zunehmend die Orientierung zur eigenen Person, zur gegenwärtigen Situation, dem Umfeld und zur Zeit. Das deshalb, weil er sich neue Informationen nicht merken kann und alte Informationen vergißt.
Seine Ausdrucksweise kann gestört sein. Vielfach findet er nicht den passenden Ausdruck bzw. das richtige Wort (Wortfindungsstörung/Aphasie). Ebenso können seine geschicklichen Fertigkeiten abnehmen. Im fortgeschrittenen Stadium so weit, dass er nur noch mit den Fingern essen kann. Die Feinmotorik nimmt stark ab. Sein Gang wird zu einem kleinschrittigen Trippeln.
Die Persönlichkeit des Dementen verändert sich. Er verliert seinen inneren Antrieb, verliert zunehmend seine Neigungen und Hobbies und entwickelt eine Abneigung gegenüber allem Neuen.
Neben der Interesselosigkeit werden immer weniger Gefühlsregungen sichtbar (affektiver Rückzug). Die Stimmung wird labil, oftmals ängstlich.
Es kommt zu einer massiven Veränderung der Grundpersönlichkeit. Mitunter tritt neben einer Apathie eine starke Reizbarkeit auf bis hin zur deutlichen Aggressivität. Oder es werden ehemals aggressive Zeitgenossen friedlich.
Im Endstadium ist der Demente völlig verwirrt. Er hört zwar, wenn man ihn anspricht, versteht aber das Gesagte nicht. Er ist bettlägerig und inkontinent.
Unterschieden werden drei Schweregrade einer Demenz:
Leichte Demenz
Der Betroffene kann eigenständig und unabhängig leben bei intaktem Urteilsvermögen und ausreichender Hygiene.
Soziale Aktivitäten und Arbeit sind jedoch deutlich beeinträchtigt.
Mittelschwere Demenz
Ein eigenständiges und selbständiges Leben ist mit deutlichen Schwierigkeiten verbunden und ein gewisses Maß an Beaufsichtigung notwendig.
Schwere Demenz
Die Aktivitäten des Betroffenen sind weitgehend zusammenhanglos und sinnlos. Auch die noch gezeigten Emotionen lassen keinen näheren Sinn erkennen. Oft verharrt der Demente in Apathie. Ebenso ist er unfähig, eine minimale Hygiene aufrechtzuerhalten. Er leidet an Stuhl- und Harninkontinenz.
Wie (er)lebt der Demente?
Der Demente erlebt eine Welt, die ihm völlig unverständlich ist. Unverständlich deshalb, weil er die Orientierung verloren hat. Er kann sein Umfeld nicht in einen Kontext setzen. Personen, Situationen und Gegenstände sind ihm fremd, weil er früher Erfahrenes und Erlerntes nicht erinnern kann und ihm so der Kontext verunmöglicht wird.
Gewohntes und Bekanntes geben Sicherheit, doch diese Sicherheit hat er eben nicht. Die meisten Dinge erlebt er täglich neu. Selbst die nächsten Angehörigen erkennt er oft nicht mehr.
Seine Raumwahrnehmung ist gestört; er findet sich in den Räumlichkeiten nicht zurecht. Bauliche Veränderungen in langgewohnter Umgebung verwirren ihn. In einem neuen Umfeld findet er sich gar nicht mehr zurecht und er verläuft sich.
Oft verschwimmen die Unterschiede zwischen Gegenwart, Vergangenheit und auch Traum. Mitunter kann selbst die Information durch den Fernseher als Realität wahrgenommen werden.
Schlechte Nachrichten oder dramatische Filmszenen können ihn in Angst versetzen.
Vielfach kommt es auch zu Depressionen und Halluzinationen. Depressionen treten bereits dann auf, wenn der Demente seinen eigenen Verfall bewusst erlebt.
Der Umgang mit Dementen ist schwierig und erfordert Geduld. Man darf nicht vergessen, dass Demente nach wie vor fühlende Wesen sind.
Ungeduld seitens der Kontaktperson vermittelt dem Betroffenen ein Gefühl der Unzulänglichkeit; ein Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Die Folge ist Unzufriedenheit und Unwohlsein.
Demente leben – wie kleine Kinder- völlig in der Gegenwart. Sie reagieren verärgert, wenn man sie für etwas kritisiert, woran sie sich nicht mehr erinnern können.
Die Verständigung sollte in einfachen Sätzen erfolgen. Klare Anweisungen in kurzen Sätzen werden am ehesten verstanden und müssen eventuell wiederholt werden.
Statt unerwünschte Reaktionen zu kritisieren sollen „richtige“ Reaktionen durch Worte, Berührungen und ein Lächeln gelobt werden.
Einfache Regeln, feste Gewohnheiten und ein strukturierter, routinierter Tagesablauf in gewohnter Umgebung sind wichtig. Reizüberforderung wirkt sich ungünstig aus, weil sie den Dementen verwirrt, doch Reizarmut langweilt sie.
Besonders bei Betroffenen im Endstadium wird der pflegerische Aufwand sehr groß. Allein aufgrund der Antriebsstörungen sind sie kaum noch in der Lage zu schlucken. Eine ausreichende Ernährung ist so nicht mehr möglich.
Der Umgang mit Dementen muß an ihre veränderte Erlebensweise angepasst werden.
Durch sog. Biografiearbeit werden bestimmte Verhaltensweisen des Dementen analysiert.
Weigert er sich z.B., zu Bett zu gehen, wird dieses Verhalten erklärbar, wenn bekannt wird, dass früher gewisse Rituale dem Zubettgehen vorausgingen – der Abend-Tee möglicherweise.
Je detaillierter die Biografie bekannt ist, desto leichter kann man auf ihn eingehen.
Wichtig ist auch,
Bei der basalen Stimulation (basal = grundlegend) werden gezielt Wahrnehmungsbereiche aktiviert, z.B. durch gezielte Reizung und Stimulation von Sinneseindrücken wie Gerüche oder optische Reize. Aber auch gezielte Körper- und Bewegungserfahrungen wie das Spüren des eigenen Körpers. Alle fünf Sinne werden dabei angesprochen, der natürliche Spieltrieb angeregt. Ob durch Mobiles, „Snoezel“-Lampen, Klangspiele, Schaukeln oder Duftöle – die Möglichkeiten sind zahlreich. Auch die Nahrungsaufnahme sollte reizvoll gestaltet werden.
All diese Dinge führen zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung, einer verbesserten Bewegungskoordination und fördern die (non-verbale) Kommunikation. Sie entspannen den Dementen und bauen Ängste ab. Der Betroffene spürt wieder eine Lebendigkeit, baut Sicherheit und Vertrauen auf.
Im Idealfall kann sich der Betreuende in die Gedankenwelt des Dementen einfühlen.
Dies kann durch Valuation erreicht werden.
„pflegewiki“ schreibt hierzu:
„Validieren heißt, den Kontakt zur Welt der Verwirrten herstellen. Die Gefühle der Dementen ist der Wegpfeiler der Arbeit, denn dies ist der Spiegel ihrer Seele. Sie leben in ihrer eigenen Welt, nicht aber im jetzt und hier, sondern in ihrer Lebenssituation die sie festhalten und oft nicht zur Ruhe kommen lassen. Diese so offen gezeigten innersten Gefühle ist der Ansatz und Beginn der Arbeit, um den Dementen die Sehnsucht und die Vertrautheit, Geborgenheit zu vermitteln, damit sie ihren Weg zum inneren Frieden mit unserer angebotenen Hilfe finden können. Angst, Einsamkeit, Nutzlosigkeit abwerfen und loslassen können, um zu einem friedlichen Lebensende zu kommen. Wenn die Waage ausgeglichen ist und kein Ungleichgewicht im Fühlen u. Denken mehr besteht, wird der Verwirrte in Frieden leben können.“
…und bringt ein Beispiel:
„Schwester S. möchte Herr M. duschen. Herr M. der dement ist, und sein Leben lang Metzger war, macht mit und kooperiert bis zum ausziehen der Unterhose. Herr M. wehrt sich mit den Worten 'Das geht doch nicht, ich kann mich hier nicht ausziehen!'. Also fragt die Schwester ihn schliesslich wo sie sich denn gerade befinden, worauf Herr M. antwortet dass sie doch in der Metzgerei sind wo er arbeitet.
Die Schwester validiert dies, indem sie Verständnis zeigt und sagt, dass dies wohl wirklich keine gute Idee sei, sich in der Metzgerei auszuziehen, und das Duschen auf einen anderen Tag verlegt.“
Das Demenzkonzept im (...)-Heim will versuchen, durch solche Dinge den Bedürfnissen der dementen Bewohner zu entsprechen.