Ich möchte hier mal ein neues, für mich wichtiges Thema starten : das
*abgetrenntsein*von den eigenen Gefühlen. Menschen, denke ich, tun viel dafür, ihre eigenen Gefühle nicht spüren zu müssen. Wenn etwas schmerzt, dann tun die Leute nicht selten alles, um sich davon abzulenken, die eigenen Gefühle*wegzumachen*, um den Schmerz nicht spüren zu müssen. Das halte ich auch für eine ganz normale Reaktion, um sich eben auch zu schützen. Ich habe aber gelernt,
*da, wo der Schmerz ist, da geht's lang !*- und das glaube ich auch.
Ich muß durch den Schmerz durch, um ihn überwinden zu können. Ansonsten hintergehe ich ihn nur, schiebe ihn beiseite und nehme mich mit diesem Gefühl selbst nicht ernst. Und ernsthaft möchte ich meine Gefühle schon nehmen.
Ich dachte immer, das besonders Männer gut darin sind, aber das stimmt meiner Meinung nach heute gar nicht mehr, denn Frauen sind ja auch "nur" Menschen und können oft genauso schlecht mit ihren Gefühlen umgehen. Sicher, solange alles toll ist und nach Plan läuft, gibt es keine Probleme, denn jeder will ja nur immer gute Gefühle haben. Aber das ist nicht realistisch und "gute" und "schlechte" Gefühle sind für mich inzwischen auch nur Phrasen, etwas in "Gut" oder "Böse" einzuordnen. Aber wenn ich die sogenannten schlechten Gefühle habe, dann, denke ich, habe ich sie eben. Ich gehe damit inzwischen viel gelassener um, weil ich denke, das alle (!) Gefühle ihre ganz eigene Berechtigung haben, ich sie alle spüren darf, ja sogar muß. Ansonsten, denke ich, verleugne ich nicht nur mich und meine Menschlichkeit, sondern meine Gefühle im Allgemeinen. Ich denke, meine Gefühle sind okay. Welche auch immer das sein mögen. Sie zeigen mir und auch anderen meine Menschlichkeit und das ich weder besser noch schlechter bin als irgendein anderer Mensch. Das sie weder gut noch schlecht, gut oder böse, falsch oder richtig sind.
Sie sind einfach. Und sie sind gut so.
Ich habe das alles erst vor Jahren lernen dürfen und bin heute mehr als dankbar dafür. Ich habe das durchaus nicht immer so gesehen und habe auch heute noch meine Probleme, das immer so umzusetzen. Denn ich habe es ja nicht unbedingt so gelernt von meinen Eltern. Ich will aber hier keine "Schulden" verteilen. Sie wußten es nicht besser, konnten mir also gar nicht mehr vermitteln, als das, was sie selbst gelernt hatten. Mehr geht nicht. Sie haben mir das Beste gegeben, was möglich war, - immer, zu jeder Zeit.
Mein Vater sagte gelegentlich gern :
"Ein Indianer kennt keinen Schmerz." Oder :
"Ein echter Kerl weint nicht." Jungs kennen besonders oft solche und ähnlich markante Sprüche, die die Väter natürlich ebenso unwissend von den eigenen übernommen haben. Und
warum weint "ein echter Kerl" eigentlich nicht ? Vllt sind ja Männer die auch mal weinen, manchmal viel "männlicher". Menschlicher zumindest schon, denke ich. Er hat es einfach selbst so gelernt. Es ist okay, wenn er so gehandelt, geredet hat. Er hat es mir im bestem Wissen so beigebracht. Was ja nicht heißen muß, das es deshalb richtig ist. Problematisch ist es aber dennoch für mich, denn ich habe gelernt, so zu sein, nicht weinen zu müssen / dürfen /können. Und genau letzters ist auch das Problem, denn wenn Du es als Kind schon so gelernt hast, ist es als Erwachsener schon fast unmöglich, sich das abzugewöhnen. Und dann bist Du an diesem Punkt
von Deinen Gefühlen getrennt (!) , Du
erlebst (!) sie nicht,
verkneifst (!) (sie Dir, ja,
schämst (
!) Dich sogar dafür. Und ich weiß auch gut, wovon ich rede, denn, wie gesagt, ich habe es - wie ganz viele Männer - nicht anders gelernt. Ich bin nicht das Opfer einer falschen Erziehung, denn das waren auch meine Elter schon, vor allem mein Vater, meine männliche Bezugsperson in der Kindheit. Nein, ich bin kein Opfer, das weiß ich. Und ich glaube auch nicht, das es überhaupt Opfer und Täter gibt.
Männer, die eine Frau vergewaltigen, haben
zu irgendeiner Zeit, - meist schon sehr früh - ähnliches erlebt. Das soll weder eine Rechtfertigung noch eine Entschuldigung für ihr Handeln sein, das ist eine Tatsache. Alkoholiker kommen meist aus Familien mit einem ähnlichem Problem. Und eine Frau, die beispielsweise ihrem alkoholkranken Mann seinen "Stoff" besorgt, ist nicht weniger krank als ihr Mann. Sie ist *
co-abhängig*, tut, was ihr kranker Mann "braucht", unterstützt ihn in seiner Sucht. Und auch der braucht es tatsächlich, um seine Gefühle *wegzumachen*. Ein Teufelskreis.
War mir grad mal wichtig, das thematisch loszuwerden. Ist schon seit langer Zeit ein wichtiges Thema für mich. Und manchmal rede ich eben auch noch davon, weil's ein wichtiges Thema ist, finde ich. Vllt hilft es ja sogar einigen, etwas besser zu verstehen. Und vllt trägst's ja auch zu mehr Verständnis zwischen den Geschlechtern für die "ganz harten Typen" unter uns bei.
Ganz lieben Gruß von einem um mehr Weichheit, aber nicht weniger männlich bemühtem
Fynn