Da stand ich gestern Abend auf dem Weihnachtsmarkt, an so einem hohen Tischchen und trank einen Becher Glühwein. Plötzlich stellte sich ein älterer Herr neben mich, und nippte bedächtig an seinem Weinbecher.
Er wirkte traurig aber auch gütig. Er trug zivile Alltagskleidung und hatte die Kapuze seines Anoraks tief ins Gesicht gezogen. Nach ein paar Minuten schaute er mich an. Der Wein und die Kälte schienen bereits zu wirken. Oder er war keinen Alkohol gewöhnt, denn er fing an, mir sein Leid zu klagen:
„Ach, wissen Sie, es ist so traurig. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Meine Aufgabe macht mir keinen Spaß mehr. Dabei habe ich mich jedes Jahr so darauf gefreut! Aber die Menschen verändern sich und vor allem die Kinder scheinen nicht mehr die Kinder zu sein, die ich all die Jahre kannte.“ Er seufzte, nahm einen kräftigen Schluck und sprach dann weiter:
„Viele Menschen haben keine Zeit. Die Schuhe werden oft nicht mehr richtig oder gar nicht geputzt. Man nimmt meistens moderne Hilfsmittel, wo mit einem wisch alles weg ist. Oder die Schuhe sind so technisch versiert hergestellt, dass sie kaum noch schmutzig werden.
Was soll ich da noch machen! Und was soll ich den Menschen geben? Ein Apfel ist für sie kein Geschenk mehr, obwohl man überall hören und lesen kann, wie gut die Äpfel für die Gesundheit sind.“ Er schüttelte mit dem Kopf: “Und Nüsse? Ja, es gibt heute so viele Allergiker, weil die Menschen die Welt nicht verstehen und gegen sie leben.“
Er unterbrach sich und wir schauten einem etwa 6jährigen Jungen hinterher, der seiner Mama zurief: “Ein Nintendo DS, ein Nintendo DS!“
Unsere Blicke trafen sich und ich nickte ihm zu:“ Es stimmt, diese neuen wunderbaren Dinge sind wohl sehr schön und wichtig für die Kinder. Aber können sie sich überhaupt noch freuen und den Wert einer Gabe erkennen?“ „Vielleicht den materiellen Wert“, meinte der Herr: “aber ich mache mir große Sorgen, dass die Menschen das Schenken verlernt haben.“
Dann stellte er vorsichtig seinen leeren Becher in den Papierkorb, nahm seine große Tasche und einen noch größeren alten Sack, nickte mir zu und sagte: “So dann werde ich meine Tracht anziehen und heute Nacht meine Gaben verteilen und bin gespannt, ob morgen früh ein paar Menschen sich noch freuen werden.“
Da lächelte ich ihm aufmunternd zu, an die Menschen denkend, die ich kenne, und sagte leise, aber mit fester Stimme: “Ganz bestimmt lieber Nikolaus“.
Und schon war er im Weihnachtsmarktgewimmel verschwunden.