Hallo Ihr Lieben,
>Ich versuch's mal so : wenn Du z.B. Alkoholiker bist, kannst Du Dich dort therapieren lassen, - Deine Mitarbeit >immer vorrausgetzt, denn ohne geht's nunmal nicht. Du wirst keinen Alkohol bekommen, nicht einmal Malzbier >oder alkoholisch gefüllte Pralinen und sowas.
das hört sich jetzt bestimmt blöd an: aber manchmal hätte ich mir gewünscht eine "anständige" stoffliche Sucht zu haben ... Denn die Dinge, die bei mir aus dem Gleichgewicht sind, ehm - auf die kann ich schlecht komplett verzichten. Jemand, der Probleme mit Alkohol hat, kann beschließen - gar kein Alkohol mehr. Das wüßte ich z. B. nicht, wie ich das mit Nahrung machen sollte. Allerdings werde ich wohl nicht so schnell Rosel's Spruch bezüglich der "Schokolade mit Ohren" vergessen ;-) Wobei ich es manchmal nicht gerade einfach finde, genug von dieser speziellen Schokolade zu bekommen. Aber immerhin - ich weiß jetzt: es gibt sie.
>Ich habe Leute gesehen, die manchmal schneller (unfreiwillig) wieder gegangen, als sie gekommen sind.
Es gibt allerdings auch etwas, was dort das "Koffer- Pack-Syndrom" genannt wird: erfasst gar nicht so wenige Menschen, bevor sie innerlich kapitulieren und sich ganz auf das Programm dort einlassen.
Denn so einige Sachen, die z. B. in meiner Zeit selbstverständlich waren, sind für viele Aussenstehende Gründe zu sagen: "Also das würde ich ja nicht mit mir machen lassen!" Wo ich dann - ja nach Tagesform nur denke oder auch sage: Wenn du verzweifelt genug bist, dann bist du auch bereit solche Wege auszuprobieren. Und dieses verzichten auf fast alle äußeren Ablenkungen wie z. B. Internet, Fernsehen, Radio hören, lesen, rauchen, Alkohol trinken (selbst wenn du meinst kein Problem damit zu haben), die ersten Tage überhaupt nicht raus zu kommen aus der Klinik, keine Kontakte zu Freunden und Angehörigen - es wirkt. Du hast nichts mehr, um dir selber aus dem Weg zu gehen. Und du läufst dir dauernd über den Weg - in den unmöglichsten Momenten. Und die erstmal letzte Wahlmöglichkeit ist entweder alleine - ohne erlaubte Ablenkungsmöglichkeit - auf deinem Zimmer zu bleiben - oder es mit dieser unheimlichen Nähe zu probieren.
Und die Blicke der Neuen sprechen Bände, wenn sie zum ersten Mal in die Lagune kommen und dort gar nicht so wenige Menschen unterschiedlichsten Alters und bunt gemischt kuscheln zu sehen.
Schmunzel - ich hatte ja Glück dadurch, daß ich schon das Buch über die Erfahrungen von Jacqueline gelesen hatte und eben auch einiges von meinem Vater gehört hatte (der die Klinik allerdings mehr von aussen - durch Informatorium - kennengelernt hatte). Das witzige war ja, daß ich meinen ersten Probeaufenthalt ja nicht zum Spaß gewählt hatte, sondern um zu sehen, auf was ich mich da in etwa einlasse - weil ich Angst hatte. Aber viele haben mir anschließend gesagt, Mensch, wenn ich doch auch selber auf diese Idee gekommen wäre.
Und genauso, wie ich mir diese Schnuppertage gegönnt habe, habe ich anschließend am Ende meiner Kur mir die Zeit gegeben noch als Gast erst in der Klinik und dann später in Karlsruhe bei einer neuen Freundin zu bleiben - um in Reichweite der Klinik mit Unterstützung der Meetings und all der Menschen langsam meine Flügel zu erproben - bevor es in den Ernstfall ging > nach hause ...
>Andererseits bist Du dann natürlich da, um Dich deshalb behandeln zu lassen und von daher ist eben auch >Deine Mitarbeit notwendig. Wie schon gesagt, das kann
(!) für manch einen schon sehr >hart und auch sehr unangenehm werden, aber die Leute dort wissen sehr genau was sie tun. Du wirst immer >wieder mit Deinen Gefühlen konfrontiert werden und andere Patienten/Gäste spiegeln Dir, wie sie Dich >erleben.
Gerade diese Spiegelungen haben mir sehr geholfen: denn ich mußte erst mal wieder lernen meinen Gefühlen und meiner Intuition zu vertrauen. Und je mehr ich mich getraut habe, mich zu öffnen und eben auch zu erklären, warum ich mir ein Feedback wünsche, desto mehr bekam ich auch zurück. Gar nicht so wenige haben mir gesagt, daß sie sich das nicht trauen würden - aber für mich war es wichtig.
Zum Beispiel gibt es dort morgens 2 verschiedene Spaziergänge - und an einem von beiden MUSST du teilnehmen. Entscheiden, welcher der richtige für dich ist, tun aber die Ärzte nach einigen Tagen. Und Jutta hatte entschieden, daß ich die große nehmen sollte. Kicher - die Tatsache, daß ich schon nach der kleinen Runde im Kurpark fix und alle war - nö, das war für sie kein Argument Mitleid zu haben. Sie sagte nur in unvergleichlicher Jutta-Manier: "Grenzen-Setzen ist doch dein Thema ;-)"
Und so hatte ich dann 7 Wochen Zeit jeden Morgen Grenzen setzen zu üben - kaum das der Tag angefangen hatte ... Du bekommst zwar mit auf den Weg, daß der Langsamste das Tempo bestimmt: aber dafür sorgen mußte ich dann selber. Und nachdem ich ganz am Anfang wirklich einen Morgen hatte, an dem ich einfach nicht mehr konnte - aber auch nicht um Hilfe bitten konnte - mich aber jemand aufgefangen hat, einfach nur da war ...
da habe ich mir jeden Tag einen anderen Menschen gesucht und gefragt, ob er ganz vorne mit mir gehen wollte.
Einige waren heilfroh - nämlich diejenigen, die sich nicht getraut haben zu sagen: ich kann nicht so schnell.
Aber einige andere hat das ganz schön genervt - keiner von denen hat's mir direkt gesagt - ich hab's dann auf Umwegen gehört. Und das tat sooooo weh - daß ich beim nächsten Treffen der gesamten Klinikbelegschaft aufgestanden bin, und erzählt habe, was ich gehört habe und wie es mir damit geht. Das ich es einfach nicht besser kann - und wie schwer es mir fällt immer wieder neu JEDEN TAG Grenzen für mich zu setzen.
Weißt du, es ist mir nicht leicht gefallen - aber jedes Mal, wenn ich für mich an meine Grenzen gegangen bin und für mich gesorgt habe, dann gab es mir auch sehr viel Kraft.
>Und egal was auch passiert, Du wirst auf eine Art von Patienten (Gästen) und
(!) >>Therapeuten *aufgefangen*, wie ich sie liebevoller, menschlicher, noch nicht erlebt habe. Weder vorher, >noch nachher.
Ein anderes wirklich typisches Herrenalberlebnis war für mich ein Abend in der Lagune (Treffpunkt in der Klinik) direkt nach der Rückkehr vom Hüttenmarathon. Ich hatte ganz große Probleme wieder innerlich anzukommen in der Klinik - fühlte sich wirklich schlimm an. Habe auch erst ganz spät gezeigt, wie es mir geht. Aber dann war ich auf einmal wieder mittendrin - lach - eine richtige Kuschelschnecke rund um mich zu. Und Jutta, die an dem Abend Aufsicht hatte, bekam mit, daß es mir nicht gut ging und fragte, ob sie irgendwas für mich tun könnte - hatte auch gefragt, ob sie lieber eine lustige Geschichte nicht erzählen sollte. Grins - und ich habe sie nicht gerade freundlich angeblafft, daß sie mich doch bitte einfach in Ruhe lassen solle - ich würde mich schon melden - momentan hätte ich alles, was ich bräuchte. Ein normaler Arzt wäre vielleicht sauer geworden - Jutta war mit mir aber zufrieden ... Ich hatte - wenn auch grob - Grenzen gesetzt und für mich gesorgt. Ich brauchte keinen fachlichen therapeutischen Beistand - nur Nähe. Und die hatte ich ja schon :-)
Lach, Jutta hat zum Beispiel auch sehr nachdrücklich alle die sie abends zur Meetingzeit (Selbsthilfegruppen im Haus) in der Lagune antraf ins Meeting gescheucht - obwohl das offiziell freiwillig war, wer da hingeht.
Und irgendwie sind immer alle brav aufgestanden: aber an diesem besagten Montagabend habe ich dann u. a. nur gesagt: nö, ich gehe an 6 Abenden in der Woche ins Meeting - das würde reichen. Die Gesichter der anderen hättet ihr sehen sollen, als Jutta meine Argumente akzeptiert hat
Ich hatte auf jeden Fall das unbestimmte Gefühl, daß sie es sehr geschätzt hat, daß ich für meine Meinung eingestanden bin. Und mir tat's gut, daß sie mich ernst nahm.
Ich habe in dieser selbst verpassten Freizeit aber dafür auch darauf geachtet, daß ich nie alleine war - sondern mit anderen zusammen: denn da lag ja eines meiner Probleme begraben. Sprich - in den Kunsttherapieraum bin ich nur dann gegangen, wenn da noch jemand war - egal zu welcher Uhrzeit.
>Denjenigen, denen es nichts gebracht hat...die waren einfach noch nicht so weit...kommen vllt ein andermal, >später, wieder.
zu meiner Zeit waren zum Beispiel gar nicht wenige da, die sogar Verlängerung hätten bekommen können und trotzdem vorher gegangen sind. Die meisten, die zu der Zeit das Handtuch für dieses Mal geschmissen haben, waren gerade Anfang / Mitte 20. Und ganz ehrlich: ich weiß nicht, ob ich es ohne "Erstanbrütung" in einer normalen Therapie und eben doch ein paar Jahre älter geschafft hätte in Herrenalb.
Denn ich habe es auch so empfunden, daß es erst einmal schlimmer wurde, bevor es sich besser anfühlte.
Aber das ist bestimmt bei vielen auch unterschiedlich. Schlimm war es erst auch deshalb, weil ich anfangs versucht habe, nur irgendwie durchzuhalten - und das funktionierte zumindest bei mir nur eine begrenzte Zeit.
Wenn ich mich auch heute zum Beispiel dabei erwische, daß ich etwas mit zusammengebissenen Zähnen versuche durchzuziehen - dann weiß ich, daß es mal wieder Zeit ist um Hilfe zu bitten, abzugeben ...
Liebe Grüße
Stefanie - Silver Wings Woman