Der Stein
Die Grabsteine, waren nur zur Hälfte zu sehen, durch den Nebel,der am Boden entlang kroch. Er dämpfte jedes Geräusch. Unheimlich klang das Rascheln des Igels, der sich ein Winterquartier suchte. Ein Fuchs schnürte über den Friedhof, umrundete die Gräber, blieb auf den Wegen, berührte mit keiner Pfote eines der Gräber.
Die kleine Friedhofskapelle war Nachts verschlossen, aber es brannte immer eine Kerze darin,deren Schein unruhig , schwach durch die bunten bleiverglasten Scheiben drang. Niemand aus dem Dorf ging des Nachts auf den kleinen Gottesacker. Man erzählte sich, die Toten fänden auf dem Friedhof keine Ruhe. Der Kaplan wollte davon aber nichts wissen. Er nannte es eine Gotteslästerung, wenn die Leute sagten das es dort Geister gäbe.
Die Alten des Dorfes aber wussten es besser. Sie wussten, was während des zweiten Weltkrieges hier passiert war.
Die kleine Kapelle , die stand schon immer da und hatte den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden. Erst später wurden rund um die kleine Kirche die Toten begraben, obwohl die Alten warnten, das auf dem Grund ein Fluch läge.
Als ein neuer Pastor, drei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg in die kleine Pfarrei kam, segnete er die Erde um die Kirche und erklärte :
" Ich habe den Friedhof gesegnet und gebetet. Die Toten werden ruhen in Frieden."
Er irrte sich.
Nachts waren Schreie vom Gelände des Friedhofs zu hören. Durchdringende Schreie. Der Pastor war ein mutiger Mann , nahm eine Sturmlaterne und schaute nach. Er hatte wahrscheinlich an Jugendliche geglaubt, die ihm einen Streich spielen wollten. Denen wollte er zeigen , wo Bartels den Most holt.
Am nächsten Morgen, kamen die Menschen des Dorfes zur Messe in die Kirche, aber sie warteten vergebens auf ihren Pastor. Kaum war die Sonne aufgegangen, gingen ein paar beherzte Männer auf den Friedhof und fanden den Gottesmann. Keine äußere Verletzung hätte seinen Tod erklärt. Das einzige was seltsam war an ihm, war das seine schwarzen Haare über Nacht schneeweiß geworden waren. Er lag vor einem Grabstein, der die Jahreszahl 4. April 1940 . Der Name allerdings war nicht mehr zu entziffern. Die Polizei stellte das Verfahren nach einer Weile ein, denn nichts deutete auf ein Verbrechen hin. Der Kaplan aus dem Nachbardorf nahm die Beerdigung des Pastors vor, denn Angehörige hatte er nicht und er wurde deshalb neben der Friedhofskapelle beerdigt. Von dem Tag an gingen die alten Frauen regelmäßig zur Kapelle und zündeten vor Sonnenuntergang eine geweihte Kerze an. Dann schlossen sie das schwere ,schmiede eiserne Tor mit einem Vorhängeschloß ab, gekreuzigten sich und gingen nach Hause.
Von da an hörten die Leute aus dem Dorf keine Schreie mehr, dafür aber schwach sichtbare , durchscheinende Gestalten, die vor dem Stein standen, vor dem der alte Pastor gelegen hatte.
Die Bewohner des Dorfes ließen die Geister des Friedhofes in Ruhe. Im Laufe der Zeit versuchten verschiedene Kapläne auf dem Friedhof für die Ruhe der Toten zu sorgen, aber als drei von Ihnen vor diesem Stein liegend am Morgen vorgefunden wurden, mit schneeweißen Haaren, traute sich nach Sonnenuntergang niemand mehr dort hin.
So geriet niemals in Vergessenheit, das es auf dem Friedhof nicht geheuer war. aber es geriet in Vergessenheit warum die Toten keine Ruhe fanden.
Als an einem Sonntag morgen die kleine Jane, im Alter von drei Jahren von Gott gerufen wurde, sie ihre letzte Ruhestätte, dicht bei der kleinen Kapelle fand, regten sich des Nachts nach Sonnenuntergang ,die Geister wieder heftiger. Sie stiegen aus ihren Gräbern und schwebten zu dem Stein mit der Jahreszahl 1945.
Sie sammelten sich und es sah aus, als sei niemand in seinem Grab geblieben. Die hellste Gestalt, war die kleine Jane. Sie schwebte über das Grab hinaus , überquerte die Friedhofsmauer , die Hauptstraße entlang bis zur Kirche des heiligen Gabriel.
Dort hielt sie vor dem Hauptportal an und rief mit leiser Stimme:
" Lass mich ein."
Das Portal sprang mit einem Krach auf. Der junge Kaplan, der vor dem Altar kniete und betete, fuhr herum. Hastig gekreuzigte er sich und hielt dem Kindgeist sein Kruzifix entgegen.
Das Kind aber kam näher und wisperte:
" Hab keine Angst, ich will dir helfen das die Toten Ruhe finden auf dem Friedhof bei der kleinen Kapelle."
Wie war es möglich das ein so kleines Kind, so sprach? dachte sich der Kaplan, aber er setzte sich in die erste Bank und sagte:
" Sprich Kind, wie kann ich helfen das die Toten in ihren Gräbern bleiben?"
" Morgen Nacht musst du mit einer Hostie in den Händen auf den Friedhof kommen und dich nicht beirren lassen von dem was um dich herum passiert. Gehe zu dem Stein mit der Jahreszahl 1940 und lege die Hostie auf den Stein. Dann geh in die kleine Kapelle und bete ein Vaterunser."
" Was ist unter dem Stein, was hat es für eine Bewandtnis mit diesem Grab, wenn es denn ein Grab ist."
"Du wirst Antworten finden. Grabe nach Sonnenaufgang unter dem Stein."
" Warum ist nicht schon eher einer von den Toten gekommen und hat gesagt was zu tun ist?"
" Nur ein Kind, kann den Friedhof verlassen, die anderen Toten nicht."
Mit den Worten schwebte der Geist des Kindes zurück durch die Pforte, die sich auch wieder mit einem Knall schloss.
Der Kaplan nahm am nächsten Abend, wie das Kind gesagt hatte eine Hostie in beide Hände und ging im vollen Ornat zum Friedhof. Die Menschen des Dorfes blieben stehen , sahen ihm nach, einige folgten ihm, blieben aber vor dem Tor des Friedhofes stehen. Der Kaplan ging durch das Tor und wurde im gleichen Augenblick von einem dichten schwarzen Nebel verschluckt. Der Nebel breitete sich über das ganze Gelände aus. Undurchdringlich, furchteinflößend.
Der Kaplan aber ging unbeirrt den Weg zu dem Stein mit der Jahreszahl 1940. Er störte sich nicht an die Gestalten, die um ihn waren. Er sah die Toten, er sah ihre Gesichter, er wurde von ihnen berührt und eine eisige Kälte kroch in seine Glieder. Sie wollten ihn zurückhalten, sie tanzten vor ihm , neben und hinter ihm. Sie raunten ihm fürchterliche Worte zu, er aber ging den Weg, der ihm unheimlich lang vor kam. Dann hatte er den Stein erreicht und legte die Hostie darauf nieder., drehte sich um und fand den Weg zur Kapelle. Die Toten waren weg und langsam verzog sich auch der Nebel. Ein Sternklarer Himmel wölbte sich über den Friedhof, eine klare Luft und der Geruch von tausend Blumen zog durch den Ort.
Er ging in die Kapelle, und betete ein Vaterunser. Dann ging er durch die Menschen des Ortes, die ihm ehrfürchtig Platz machten nach Hause.
Niemand schlief in dieser Nacht, der junge Kaplan hatte den Gang über den nächtlichen Friedhof überlebt.
Nach Sonnenaufgang ging der Kaplan mit einer Schaufel bewaffnet zum Stein mit der Jahreszahl 1940. Die alten Frauen kamen und eine sagte:
" Nicht Herr Kaplan, nicht graben" und sie gekreuzigten sich.
Er aber grub und er grub sehr tief. Ein paar Männer kamen und halfen ihm. Was sie fanden, jagte ihnen Schauer über den Rücken, die Nackenhaare strebten sich. Einige gingen weg, sie konnten es nicht ertragen. Sie fanden ein Massengrab von Kinderleichen. Grausam zugerichtet. Wie viele Kinder hier vergraben worden waren, ließ sich nicht feststellen. Denn sobald alle Leichen freigelegt waren, stiegen kleine weiße Gestalten gen Himmel. Die Knochen aber verschwanden.
Nachforschungen ergaben, das an der Stelle des Friedhofes ein Kinderheim gestanden hatte. Das Heim wurde 1940 von Dorfbewohnern angesteckt und die Kinder waren bei lebendigem Leib verbrannt. Die Dorfbewohner hatten geglaubt , die Kinder seien die Saat des Bösen gewesen, die es zu vernichten galt. Der damalige Pastor, hatte einen Bann über das Grab gelegt, sodass der Geist der Kinder das Grab nicht verlassen konnten.
Einige der Bewohner des Dorfes, die damals daran beteiligt waren, hatten den Krieg überlebt, und Ermittlungen ergaben wer daran beteiligt war. Sie wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl sie schon sehr sehr alt waren.
Ende