Es war im Dezember 2001; Heiligabend. Später morgen.
Tags zuvor war das Wetter traumhaft schön. Knackig kalt und sonnig. Und ich dachte: „Wenn es morgen auch so schön wird, fährst Du ins Hohe Venn.“ (belgische Ardennen; für Ortsunkundige).
Nun, tags darauf, war es nicht mehr ganz so schön; der Himmel zeigte manch drohende Wolke.
„Die haben im Radio Sturmwarnung gegeben. Eisregen!“, sagte Mutter beim Frühstück zu mir.
Mir war es egal. Und wenn ich im Auto übernachten muß und erst tags drauf zurückkomme – was solls.
Ich fuhr los; erst auf die A61; dann, bei Kreuz Jackerath, auf die A44 Richtung Aachen.
Zwischendurch war die Musikcassette zu Ende. Als ich sie herausnahm, schaltete das Gerät auf Radioempfang um.
Und ich höre sonst NIE Radio…..
„Unwetterwarnung….Eisregen….zwischen Kölner Raum und Nordeifel…“, hörte ich nur.
An der nächsten Ausfahrt bin ich dann doch von der Autobahn runter und in Gegenrichtung wieder rauf.
Dann, nach Kreuz Jackerath, wieder auf die A61.
Und plötzlich hörte ich ein „Plöck“ irgendwo aus dem Vorderteil des Wagens.
Während ich noch rätselte, was das gewesen sein könnte, sah ich auf die Anzeigeninstrumente.
Und die Temperaturanzeige des Kühlwassers stieg schlagartig.
Ebenso schlagartig wurde mir klar, was das „Plöck“ gewesen ist: gerissener Keilriemen. Die Wasserpumpe wurde nicht mehr angetrieben, die Kühlung war ausgefallen.
Da blieb nur noch eines: sofort anhalten, sonst stirbt der Motor den Hitzetod.
Während ich nun mitsamt Warndreieck 100 Meter latschte, fuhren nur vielleicht 3 Wagen an mir vorbei. Auf der Autobahn war nix los. Heiligabend eben.
Was tun? Ein Handy hatte ich damals nicht. Im ADAC war ich auch nicht.
Als ich mich umdrehte, um zum Auto zurückzugehen, stand dort ein Mann. Hinter ihm ein grünmetallicfarbener Wagen.
Ob er mir helfen könne, fragte er, und ich sagte ihm, was geschehen war. Einen gebrauchten Keilriemen hatte ich noch im Kofferraum, erinnerte ich mich. Den hatte ich kürzlich eher per Zufall entdeckt. In der Reserveradmulde. Recht alt und schon etwas spröde, aber als Rettungsanker…..
Ich brauchte nur einen 22er und einen 19er Schlüssel, um die Lichtmaschine, mit der auch der Keilriemen gespannt wurde, zu lösen. Der 22er Schlüssel musste sehr kurz sein, um an die Verschraubung heranzukommen. Eigens dafür hatte ich mir zuhause einen Schlüssel abgesägt.
Aber zuhause nutzte er mir nichts…..
Beide notwendigen Werkzeuge hatte dieser Mann dabei!
Keilriemen drauf, gespannt.
„Starten Sie mal“, sagte der Mann. Ich startete den Wagen – und er lief.
Ein Trinkgeld wollte er nicht annehmen. Ich wünschte ihm noch Frohe Weihnachten, dann ging er zu seinem Wagen. Und ich zum Warndreieck. Nach einem kurzen Stück drehte ich mich noch mal um.
Ich sah ihn nicht mehr. Dabei war die Autobahn dort völlig gerade, und ich konnte noch sehr weit sehen. Aber ich sah ihn nicht mehr. Er war spurlos verschwunden.
Auf der Rückfahrt dachte ich darüber nach.
Drei Wagen sind mit normaler Autobahngeschwindigkeit an mir vorbeigefahren, als ich das Warndreieck trug, welches in 100 Metern Entfernung aufgestellt wird. Der Anhalteweg eines Wagens hätte länger sein müssen als von mir bis zu meinem Wagen. Starke Bremsgeräusche hatte ich nicht gehört. Und der Mann stand schon an meinem Wagen, als ich mich umdrehte.
Unmöglich eigentlich in der kurzen Zeit und dem kurzen Weg.
Der Mann hatte einen grünmetallicfarbenen Wagen – damals meine Lieblingsfarbe.
Und er hatte einen kurzen 22er Schlüssel; kein alltägliches Serienteil von Werkzeug.
Ebenso plötzlich, wie er da war, war er verschwunden. Dabei hätte ich ihn noch ein ganzes Stück sehen müssen.
Es geschehen schon seltsame Dinge…..