Author Topic: "Die Radsportmafia und ihre schmutzigen Geschäfte" - Geständnis Tyler Hamilton  (Read 3720 times)

Waltzing Mathilda

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Man stelle sich Folgendes vor:
Ein junger Mensch fährt begeistert Rennrad und träumt vielleicht davon, später Radrennfahrer zu werden.
Oder nehmen wir Jan „Ulle“ Ullrich, der schon sehr früh durch das DDR-Leistungssportsystem gefördert wurde.
Ein solcher Mensch nun erfüllt sich seinen Traum, lebt seine Leidenschaft aus und wird Radrennfahrer.
Er fährt sehr erfolgreich, gibt alles und erringt viele Siege. Rennen fahren ist nun sein Beruf, sein Broterwerb.
Irgendwann aber stellt er fest, daß ihm die Konkurrenz davonfährt. So sehr er sich auch anstrengt: die Konkurrenz hängt ihn ab wie einen Anfänger.
Allmählich dämmert ihm, was abläuft: die dopen!
Was soll er tun? Sie des Doping beschuldigen? Er hat schließlich keine Beweise, und Kontrollen haben nichts nachweisen können.
Oder seine Leidenschaft, seinen geliebten Sport und Broterwerb an den Nagel hängen?
Aber was soll er dann machen? Manch ein Radprofi hat nichts anderes gelernt.
Oder soll er……auch dopen?
Das sichert ihm seinen Lebensunterhalt, läßt ihn weiterhin seine Leidenschaft leben.
Also macht er mit. Und siegt wieder.

Eines Tages wird er erwischt. A- und B-Probe sind positiv.
Was nun?
Gestehen?
Vielleicht würde er gerne.
Aaaaaber: das hat gewaltige (finanzielle) Konsequenzen; kein Team mehr würde ihn unter Vertrag nehmen. Seine Laufbahn wäre beendet. Sein Ruf ruiniert. Seinen Freunden, seinen Eltern, seinen Fans könnte er nicht mehr in die Augen sehen.
Noch viel weniger könnte er aussagen, daß das gesamte Team systematisch dopt. Immerhin hängen die Existenzen seiner Teamgefährten davon ab, daß er den Mund hält. Soll er deren Existenzen und die deren Familien mit zerstören?
Und er müßte die Ärzte belasten, die das Team betreut haben sowie sämtliche Helfer.

Tyler Hamilton, wiederholt des Dopings überführter ehemaliger Radprofi, hat sein Schweigen gebrochen. Und es gewagt, öffentlich die Namen zu nennen, die mit dem „System Doping“ zusammnenhängen.
In seinem Buch „The secret Race“, welches nun hier mit dem (reichlich bescheuerten!) Titel „Die Radsportmafia und ihre schmutzigen Geschäfte“ erschienen ist, schildert er seine persönliche Laufbahn.
Seine ersten Erfahrungen mit Profis, die „etwas genommen haben mußten“ und letztlich die unausweichliche Wahl, selbst zu dopen – oder seine Karriere zu beenden.
Hamilton schildert seine gemeinsame Zeit mit Lance Armstrong sowie die Zeit danach, als er mit ihm konkurrierte.

Armstrong war ein guter Fahrer, aber nicht überragend. Alle seine Tour-Titel holte er sich nach seiner Krebs-Erkrankung.
Und Armstrong hatte Hodenkrebs. Viele Substanzen dürfte er mit der Nachbehandlung rechtfertigt haben; inklusive Testosteron-Gaben. Vielleicht auch EPO.
Wer weiß schon, daß EPO ein körpereigenes Hormon ist und als synthetisches EPO zur Nachbehandlung bei Chemotherapien eingesetzt wird?
Armstrong hat das Doping nicht erfunden – aber er hat es systematisiert und perfektioniert.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er sogar die UCI, den internationalen Radsportverband, bestochen.
Gegen Armstrong war jede Konkurrenz machtlos. Man konnte ihm nichts nachweisen (wie auch, wenn selbst die UCI positive Tests verschwinden läßt und wohl auch die Prüfer korrupt waren?)

Welche Möglichkeiten hatten nun Armstrongs Gegner?
Sollten sie alle ihre Karriere beenden? Armstrong beschuldigen, ohne Beweise zu haben?
JEDER dürfte gedopt haben, jeder hat es geleugnet, hat geschwiegen.

Jan Ullrich auch.
Und nach meinem heutigen Wissen, nach dem Lesen Hamiltons Buches, muß ich sagen: man kann es ihm nicht vorwerfen.
Auch, daß er gesagt hat: „Ich habe niemanden betrogen!“
In gewisser Weise ist das sogar wahr: wenn jeder dopt, sind die Chancen wieder gleich…

Was Hamiltons Buch noch alles bewirken wird, bleibt abzuwarten. Sicher wird der Radsport, der wohl nie sauber war, jemals sauber werden.
Doch muß man sich darüber im klaren sein, daß es in allen anderen Sportarten nicht anders aussieht.

Offline Vivienne

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