Von Haibara:
Dieses Thema ist sehr komplex und der Text dazu lang. Ich möchte aus dem Bericht aber nichts wegkürzen. Alles ist wichtig.
Wen es interessiert oder sogar betrifft, der bleibt "drüber".
Als Nyir mir es schickte, hatte ich eigentlich auch keine Zeit und wollte es eigentlich sofort wieder zu machen.Aber dann musste ich dadurch.Und es hat sich gelohnt! Mir ist jetzt so vieles klarer und bewusst!
Ich bin eben so! Na und!
Ich poste das jetzt mal und später bringe ich dann mal Beispiele, die ich erst in letzter Zeit erlebte:
Hochsensibilität – was ist das?
"Jeder Mensch nimmt Informationen aus seiner Umwelt auf und verarbeitet sie. Bei fast allen Menschen wird ein Großteil der Informationen jedoch aus der Wahrnehmung herausgefiltert.
Wir merken dies zum Beispiel, wenn wir uns an ein Geräusch gewöhnt haben: Wer einige Zeit neben einer Autostraße wohnt, deren Lärm hörbar ist aber nicht wirklich belästigt, wird irgendwann diese Geräusche nicht mehr wahrnehmen, obgleich sie objektiv nach wie vor vorhanden und hörbar sind. Kommen Gäste vorbei, die die Anrainer auf den Verkehrslärm aufmerksam machen, nehmen sie ihn plötzlich – wenngleich ohne Überraschung – für einige Zeit wieder wahr, bis sie schnell in die alte Gewohnheit verfallen und den Verkehrslärm aus ihrer Wahrnehmung ausblenden. Der Gesang der Straße wird aus der Wahrnehmung herausgefiltert.
Dieser Filter ist bei hochsensiblen Menschen aufgrund neurologischer Besonderheiten etwas weniger stark ausgeprägt als bei der breiten Masse. Hochsensible nehmen viel mehr Informationen auf, sowohl von ihrer Umwelt als auch von sich selbst. Sie nehmen feine Einzelheiten in einem größeren Wahrnehmungsspektrum wahr.
Was Hochsensible allerdings im Einzelfall intensiver wahrnehmen, ist extrem unterschiedlich, auch weil sich die Wahrnehmung auf das Innere und das Äußere ausdehnen kann. Manche HSPs (=Highly Sensitive Person) nehmen z.B. Gerüche, optische oder akustische Eindrücke intensiver und facettenreicher wahr, andere bemerken beispielsweise feine Nuancen in zwischenmenschlichen Beziehungen, können manchmal gar fühlen, ob eine Person lügt.
HSP haben das Problem, sich nur sehr schwer entscheiden zu können, da sie in ihrem Kopf alle Möglichkeiten und Nicht-Möglichkeiten durchgehen (müssen). Innere Zerrissenheit gehört zum Alltag von HSP, ebenso wie die „Angst“ vor (rapiden) Veränderungen. Veränderung im Freundeskreis, in der Familie oder in sonstigen Lebenssituationen können von hochsensiblen Menschen nur sehr langsam verarbeitet und akzeptiert werden.
Generell scheinen sie in vielen Dingen, die für normalsensible Menschen selbstverständlich sind, langsamer zu sein. Während außen Ruhe herrscht, tobt innerlich ein Sturm, den nur die HSP selbst mitbekommt.
Ständig von Emotionen umgeben, fällt es HSP seltsamerweise eher schwer die eigenen Gefühle auszudrücken – sei es in Worten oder in Handlungen.
Was hat dies für Konsequenzen?
Hochsensibilität bringt Vorteile und Nachteile. Da letztere in der modernen Gesellschaft Hochsensiblen das Leben sehr schwer machen können, werden sie in Diskussionen und in der Literatur ziemlich intensiv behandelt. Verstehen kann man ihre Ursachen nur, wenn man sich die Folgen der intensiveren Wahrnehmung vergegenwärtigt.
Wahrnehmung ist anstrengend. Wer einige Stunden in der Oper saß, wird nicht gleich sofort eine CD in die Stereoanlage einlegen und Musik hören. Wer 90 Minuten konzentriert einem Vortrag gelauscht hat, braucht eine Pause. So schön die Disko auch sein mag – irgendwann wird einem die Musik zuviel und man möchte nach Hause.
Weil Wahrnehmung anstrengend ist, haben Menschen nur begrenzte Aufnahmekapazitäten. Aus diesem Grund gibt es Pausen zwischen den Schulstunden, werden Theaterstücke nicht gerne sehr lang gespielt und werden bei Spielfilmen mit Überlänge Pausen eingelegt. So schön eine Erfahrung auch ist – irgendwann ist es genug, wir brauchen eine Auszeit.
Jeder Mensch braucht nach Wahrnehmung Pausen zur Aufarbeitung, zur Erholung auch der Nerven. Sie/Er kann die Aufnahme von Information nur eine bestimmte Zeit ertragen, dann wird es ihr/ihm zuviel. Man könnte auch sagen: Nur ein gewisses Quantum an Information kann am Stück aufgenommen werden, dann sind die inneren Speicher voll und die Akkus leer.
Wenn Hochsensible nun permanent wesentlich mehr Informationen aufnehmen als „normale“ Menschen, so liegt es in der Natur der Sache, dass bei ihnen die Speicher schneller voll und die Akkus schneller leer sind. Die hohe Anzahl an Informationen, die sie aufnehmen, will verarbeitet („verdaut“) werden. Ihre Nerven brauchen nach Zeiten der intensiven Stimulierung Phasen der Regeneration.
Aufnahmekapazitäten bestimmen allerdings nicht nur die Dauer der erträglichen Wahrnehmung von Informationen, auch begrenzen sie Umfang und Intensität an Information, die zur gleichen Zeit, sprich in einem Moment, aufgenommen werden kann.
Werden uns zu viele Bilder in zu hektischer Abfolge gezeigt, wird uns unwohl, wir wünschen uns ein langsameres Tempo. Viele Menschen fühlen sich belastet, wenn zu viele Personen gleichzeitig auf sie einreden.
Auch hier stoßen Hochsensible früher an ihre Grenzen: Da die Intensität ihrer Informationsaufnahme höher ist als bei anderen Menschen, geraten sie schneller an ihre „Schmerzgrenze“. Der Ausdruck passt in der Tat: Überstimulation kann Schmerzen verursachen. Bei HSPs sind schneller Leitungen überlastet – Der Körper wehrt sich.
Infolge dieser Begrenzungen sind Hochsensible von außen betrachtet scheinbar weniger belastbar – laute Musik, der Andere ohne Probleme zuhören können, führt bei ihnen zu Unwohlsein, gar zu Schmerzen. Gruppen von Menschen, z.B. große Partys mit breiter Geräuschkulisse, eng aneinander stehenden Menschen und vielen Gerüchen in der Luft, die für normale Menschen keine besondere Herausforderung darstellen, bedeuten für Hochsensible häufig eine unerträgliche Überlastung an Informationszufluss. Wenn sie sich in diesen Situationen zurückziehen, wird das häufig interpretiert als Ungeselligkeit, Snobismus, elitäres Empfinden oder Unhöflichkeit. In Wirklichkeit ist es Flucht – Flucht vor der Überstimulierung, die das Nervensystem der HSPs an die Grenzen der Überlastung bringt.
Wenn ich in meinem Studentenwohnheim z.B. Freunde besuche, die nebenbei Musik laufen lassen, so können sie sich dabei stundenlang unterhalten. Ich kann dies nicht – je nach Lautstärke muss ich mich nach einer Weile zurückziehen. Und auch schon vorher zahle ich für die Geselligkeit den Preis, dass ich mich nicht wirklich vollständig wohlfühle – ich bin stets ein wenig überstimuliert.
Die nicht-Hochsensiblen haben dafür kein oder wenig Verständnis. In der Tat, sie können nicht nachempfinden, was mich an der Musik stört.
So individuell die Wahrnehmungsunterschiede bei HSPs sind, so unterschiedlich sind auch die Ereignisse, die Überstimulierung hervorrufen. Manche HSP kann laute Musik lange Zeit problemlos hören, wird aber durch eine leichte, für andere Menschen kaum fühlbare Verstimmung der Lebenspartnerin/des Lebenspartners oder der Vorgesetzten/des Vorgesetzten in eine tiefe Krise gestürzt.
Verhalten sich Hochsensible konsequent, werden sie also Situationen meiden, in denen sie mit zu Überstimulation führenden Reizen konfrontiert werden. Dazu zählen insbesondere Orte mit lauter Musik und vielen Menschen, das kann aber, wie gesagt, individuell ganz unterschiedlich sein. Auch werden Hochsensible eine Tendenz aufweisen, sich zurückzuziehen, teilweise ein Eigenbrötlerdasein führen, um Zeit und Muße zu haben, die so vielen Informationen zu verarbeiten.
Es ist wichtig, dass sich hochsensible Menschen zurückziehen können. Reizüberflutung belastet unwahrscheinlich.
Werden HSP in ihrer Zurückgezogenheit gestört, kann dies zu gereiztem Verhalten führen und manchmal auch zu Verhaltensweisen, die übertrieben wirken. (Daher gibt es auch so Sprüche wie: „Sei nicht so überempfindlich!“)
Ist das nicht schrecklich?
HSPs, die um ihre Besonderheit noch nicht wissen, glauben sehr häufig, mit ihnen sei etwas nicht in Ordnung, sie seien anders, wohl krank, behandlungsbedürftig. Der äußere Eindruck scheint dies auch zu bestätigen: Alle Anderen können Dinge tun, die für HSPs unerträglich sind. Im Glauben, die eigene Andersartigkeit sei etwas Pathologisches, versuchen sie, dagegen anzukämpfen, was in neue Teufelskreise bis hin zum Selbsthass führen kann.
Wissen HSPs jedoch um ihre Besonderheit können sie ihre Sensibilität häufig genießen, ja sogar für ihre Zwecke nutzen. Wenn viel mehr Informationen verarbeitet werden müssen, führt dies automatisch zu mehr Verarbeitung. Das klingt banal, hat aber zur Folge, dass viele Hochsensible praktisch ständig mit Informationsverarbeitung sprich Analyse ihrer Eindrücke beschäftigt sind. Ihre entsprechenden Fähigkeiten sind hoch trainiert, und so vielschichtig und facettenreich ihre Wahrnehmung ist, so vielschichtig und facettenreich sind ihre Interpretationen der Welt. HSPs hüten sich vor verfälschend einfachen Denkmustern und kommen in ihrem Verständnis der Welt der überaus komplizierten und komplexen Realität weitaus näher als nicht-HSPs.
Breiten Raum in ihrem Bewusstsein nimmt die Reflexion ein, sowohl über die äußere Welt als auch über sich selbst. Sogar vor dem Denken als Phänomen macht ihr Nachdenken nicht halt. Teilweise erschließen innere Dialoge auf verschiedenen und miteinander verknüpften Meta-Ebenen einen hoch differenzierten Zugang zur Welt, der Stellung des Ich darin und zur Metaphysik.
Dies klingt vielleicht überheblich und abgehoben. Doch es stürzt in elementare Krisen, wenn z.B. aufgrund der erbarmungslosen Selbstreflexion die eigene Existenz plötzlich in Rechtfertigungsnöte gerät. Die Infragestellung von als selbstverständlich erachteten Fundamenten des (eigenen) Daseins kann durch Sümpfe und an Abgründe führen; Depressionserscheinungen sind für manche HSPs bekannter Gefährte.
Doch hat man die Talsohle durchschritten und für sich selbst ein philosophisches System entwickelt, das der unbeschränkten Reflexion standhält, so ist diese geistige Grundlage des Lebens stabiler als alles andere, was diese Welt an Ideologien und Dogmen anbietet.
Diese Komplexität des Innenlebens wird von vielen HSPs als „Reichtum“ bezeichnet. Ihr intensives Erleben selbst von Kleinigkeiten des Alltags gibt dem Dasein eine Qualität, die dazu führt, dass man trotz der Nachteile im Umgang mit den Mitmenschen auf seine HS nicht mehr verzichten möchte. Auch hier gibt es selbstverständlich abweichende Aussagen, doch scheint die Mehrheit der HSPs das Gesagte zumindest mit Vorbehalten unterstützen zu können.
Im Umgang mit der Welt kann dies allerdings zu neuem Schmerz führen. Die intensive Reflexion mit hoher Differenzierung führt zu Vorsicht und Zurückhaltung im Urteil. Die These kann in der Regel genauso verfochten werden wie die Antithese.
Zu Traurigkeit und zur Verzweiflung kann führen, dass sich diese Vorsicht bei den Mitmenschen nicht widerspiegelt. Abstoßend wirken emotional aufgeladene Vehemenz und in inbrünstiger Überzeugung vorgetragene, offensichtlich nicht gründlich geprüfte und hinterfragte Meinungen. Alles ist wahnsinnig kompliziert, und die Mitmenschen scheinen dies nicht zu verstehen, eindimensional und oberflächlich zu denken, nicht hinter die Kulissen zu schauen. Kein Verständnis zu haben dafür, dass Vorsicht der Eindringlichkeit überlegen ist.
Eine gewisse Vereinsamung des hochsensiblen Geistes kann die Folge sein, die verstärkt, was durch den Fluchtinstinkt vor der Überstimulation ohnehin Tendenz des Strebens ist.
Hochsensible – geschätzt 15-20% der Gesamtbevölkerung – trösten sich in ihrer Literatur und ihren Internet-Foren mit lange vergangenen Zeiten, in denen Ihresgleichen einflussreiche und geschätzte Positionen in der Gesellschaft besessen hätten. Die moderne Gesellschaft, so beklagen sie, sei jedoch der Hochsensibilität feindlich gegenüber eingestellt. In der modernen Zeit zählten Kraft, Stärke und Schnelligkeit. Nachdenklichkeit, Reflexion und langsameres Handeln sei heutzutage ein Zeichen von Schwäche. Dementsprechend würden Hochsensible allmählich aus ihren klassischen Berufen verdrängt und fänden Nischen nur in den Berufen, die man spontan mit Hochsensibilität assoziiert, beispielsweise Psychotherapeut/In.
In der Tat täuscht hier die Intuition nicht: Intimität schätzen Hochsensible zum Teil sehr; sie werden häufig als gute Zuhörer betrachtet, da sie ein feines Gespür für Stimmungen und subtile Botschaften haben und die Bereitschaft ausstrahlen, mit Verletzlichkeit behutsam umzugehen. Für Hochsensible ist Intimität, die Sanftmütigkeit und Rücksichtnahme mit sich bringt, die Art des Umgangs, die sie sich für die ganze Gesellschaft erhoffen. Gerade mit Personen, die Schicksalsschläge hinter sich haben, die Spuren hinterließen, „stimmt die Chemie“ – da solche Menschen nach ihren Erlebnissen im Angesicht von Abgründen auch zu tieferer Reflexion und größerer Behutsamkeit neigen.
Betont wird, dass Hochsensible ebenso wie geringer Sensible wichtige Aufgaben in der Gesellschaft erfüllten. Dass mithin eine Gesellschaft, die die Hochsensiblen an den Rand dränge, irgendwann einen Preis dafür werde zahlen müssen.
Dies erscheint insbesondere plausibel, wenn man sich die Fähigkeit mancher HSPs vor Augen führt, scheinbar in die Zukunft blicken zu können: Was wie Wahrsagerei aussieht, ist in Wirklichkeit das teilweise unbewusste Erkennen hochkomplexer Kausalketten und übergeordneter Zusammenhänge, das Prognosen erlaubt, die bei nicht-HSPs Staunen hervorrufen können. HSPs erkennen die Konsequenzen des Handelns schon im Voraus und neigen infolgedessen zu angemessener Vorsicht.
Hochsensibilität kann aufgrund der hohen nervlichen Aktivität ferner zu besonderen Begabungen führen. Viele HSPs sind außergewöhnlich kreativ; andere sind durch Schnelligkeit, Geistesgegenwart und fast pedantische Genauigkeit in ihren Berufen überaus leistungsfähig.
Wie überlebt man trotz der Probleme in dieser Gesellschaft?
Wie dargestellt gibt es genug Gründe, an der modernen Zeit zu leiden. Verweigert man sich nicht der modernen Lebensweise, lebt man in permanenter nervlicher Überstimulation, was zu Angstzuständen und Depression führen kann. Die Rationalisierungen der Angst sind mannigfaltig, z.B. unbegründete Sorgen in Bezug auf die soziale Stellung oder Hypochondritis. Verweigert man sich der modernen Lebensweise, drängt sich das Gefühl auf, etwas zu verpassen. Man gerät in die Gefahr der sozialen Isolation und sieht sich im schlimmsten Fall der Verachtung seiner Mitmenschen ausgesetzt, die die Rückzugsbestrebungen als Ausdruck von Überheblichkeit oder gar (krankhafter) Absonderlichkeit werten.
Über empathische Fähigkeiten wird nicht gesprochen, es ist ein TABU-Thema. Nicht nur Erwachsene sind verzweifelt, weil man ihnen nicht glaubt, sondern es sind auch die Kinder, die in der Schule entsetzlich leiden. Es sind die friedliebenden Kinder, die sich einfach nicht schützen und wehren können. Dabei ist für sie Harmonie sehr wichtig, denn um es nochmals zu betonen, sie nehmen kleinste Veränderungen insbesondere auf emotionaler Ebene wahr. Ein lautes Wort gleicht einem Sturm, der über sie hinein bricht. "
(Zitat aus einer mir unbekannten Quelle)
(Ergänzung: Wenn Interesse besteht, können wir das ja verschieben und einen eigenen Thread darau