So, bin seit 11 Uhr wieder zuhause.
Und habe eine solche Stinkwut, daß ich versucht bin, der IS beizutreten, Bombenleger zu werden und diesen lausigen Puff in Schutt und Asche zu legen.
Aber der Reihe nach:
Gegen 15:35 Uhr bin ich gestern, Freitag, bei Yoga-Vidya angekommen. Der Parkplatz teilt sich in mehrere Felder, irgendwo ist auch noch ein Plätzchen für mich frei. Mit meinen Habseligkeiten bewaffnet suche ich den Haupteingang. „Haus Shanti“ und „Rezeption“ steht auf einem Schild. Dem folge ich und gelange zum Haupteingang des Hauses Shanti.
Vor der Rezeption tummelt sich eine ganze Menschenschlange, die bis vor die Türe reicht. Wird also etwas dauern….
Als ich schließlich am „Tresen“ stehe und die Anmeldebescheinigung vorlege, sieht die Dame auf ihren Plan, markiert meinen Namen mit gelbem Textmarker (was wohl „anwesend“ bedeuten soll) und sucht nach einem Schlüssel für mein gebuchtes Einzelzimmer.
Keiner mehr da. Ihr Blick verrät Ratlosigkeit, sie fragt den Kollegen. Der aber ist mit den anderen Anmeldungen beschäftigt und kann keine wirkliche Antwort geben. Schließlich greift sie zum Telefon und ruft jemanden an.
„Eine Tüte mit Schlüssel?...Dann müssten sie hier sein…Okay, gut.“
Sie geht zum anderen Schrank und gibt mir einen Schlüssel, sagt dazu, dass es ein Zimmer im anderen Gebäude ist, dem Haus „Chakra Pyramide“, 2. Etage. Ist ja egal, welches Gebäude.
Zusätzlich leihe ich mir Bettwäsche. 5 Öre extra.
Ich suche das Zimmer auf. Bett, Tisch, Stuhl, Schränkchen. So ganz anders als auf den Abbildungen auf deren Website. Reichlich karg, aber ich will ja auch nur schlafen dort. Nachdem ich das Bett bezogen und mich umgezogen habe, frage ich mich, was nun kommt. Um 16.30 Uhr ist die erste Yoga-Einheit, soviel weiß ich.
Aber wo? In meinen ausgedruckten Unterlagen steht nichts. Habe ich etwas übersehen?
Ich nehme den Laptop mitsamt Internet-Stick, um deren Website aufzurufen. Vielleicht steht es dort irgendwo. Aber ums Verrecken: ich bekomme keine Verbindung. Nach reichlichem Herumorgeln geht mir ein Licht auf: ich muß das Konto aufladen, da kein Guthaben mehr. Dann erst sehe ich auch das winzige Feld mit dem entsprechenden Hinweis. Aber ohne Verbindung kann ich nicht aufladen. Warum muß das ausgerechnet jetzt passieren?
So langsam wird mir klar, dass ich nicht einmal weiß, was ich gebucht habe. Ich habe kein Programm des Seminars, kenne den Tagesablauf nicht. Und noch viel weniger weiß ich, in welchen Räumen die Aktivitäten stattfinden.
Ich nehme meine Anmeldebestätigung und gehe noch mal ins Haus Shanti zur Rezeption. Dort warte ich wieder eine gefühlte Ewigkeit, weil ein Typ vor mir scheinbar nicht angemeldet ist, aber aussagt, er sei es. Als ich schließlich die Dame vor mir habe, sagt sie, das stehe alles auf der Magnettafel und zeigt in deren Richtung. Also schaue ich auf die Tafel. Dort sind, neben zahlreichen weiteren Aushängen, die Seminare ausgehängt. Nur jenes nicht, welches ich gebucht habe. Wenn auch ein ähnliches, mit der gleichen Seminarleiterin, nur eine Woche zuvor. Ist also nicht mehr aktuell. Vielleicht ist es das Gesuchte, nur das Datum ist falsch. Aber Vermuten heißt nicht Wissen. Nochmals gehe ich an die Rezeption und habe zum Glück gerade niemanden vor mir. Sie nennt mir den Raum, und ich weiß, dass ich mir den Namen eh nicht werde merken können. Ein Begriff aus dem Sanskrit.
Ich frage nach einem Infoblatt, einem Programmblatt, auf dem der Ablauf des Seminars mitsamt Angabe der Räume aufgelistet ist. So etwas sollte man eigentlich vor Beginn jeden Seminars erwarten dürfen. Aber sie schüttelt den Kopf. So etwas hat sie nicht. Im Haus „Chakra Pyramide“, in dem ich mein Zimmer habe, gebe es auch eine Rezeption mit Aushang.
Mittlerweile ist es deutlich nach 16:30 Uhr, ich bin also eh zu spät. Laut Hausordnung, die in meinem Zimmer ausliegt, ist das Betreten der Seminarräume nach den angegebenen Zeiten nicht mehr vorgesehen. Man soll also pünktlich sein, 5-10 Minuten vorher erscheinen; wer zu spät kommt, den straft das Leben.
Einerseits kann ich das verstehen, andererseits hätte ich diese Verspätung nicht selbst verschuldet.
Die erste Yoga-Einheit geht mir also dadurch. Na, toll!
Ich gehe also aufs Zimmer und lege mich etwas hin. Bis zum Essen um 18 Uhr kann ich eh nichts mehr tun.
Kurz nach 18 Uhr finde ich dann zum Speisesaal, und mich trifft der Hammer: eine große Teilnehmermenge steht da herum, alle wollen essen, und nichts scheint zu gehen. Ich mag mich nicht ins Getümmel stürzen, das sind mir einfach zu viele. Nochmal gehe ich aufs Zimmer und komme um 18:30 Uhr zurück. Nach wie vor rappelvoll! Und immer noch stehen sie an; ganz zu schweigen davon, dass der Raum selbst genauso voll zu sein scheint. Soweit ich das erkennen kann.
Nein, in solch einer Menschenmenge fühle ich mich nicht wohl. Schon gar nicht, dass ich da noch essen mag. Mir verginge der Appetit.
Im Auto habe ich noch 2 Bananen, die auf der Hinfahrt als Frühstück gedacht waren. Die möchte ich holen. Besser als nichts. Allerdings dauert es etwas, bis ich in der Dunkelheit und der schummrigen Beleuchtung der Parkplätze mein Auto gefunden habe.
Anschließend gehe ich an der Magnetwand an der Rezeption im Haus Chakra-Pyramide vorbei, und hier sehe ich den Aushang des von mir gebuchten Seminars. Es ist der gleiche Aushang wie im Haus Shanti; das Datum der letzten Woche wurde allerdings mit Filzschreiber korrigiert.
Na fein!
Der nächste Punkt ist um 20 Uhr; Stille/Meditation. Am Ende des letzten Punktes für heute steht der Raumname. Na also. Der Raum befindet sich sogar auf der 2. Etage, nur um 2 Ecken von meinem Zimmer entfernt. Sehr bequem.
Kurz vor 20 Uhr suche ich also diesen Raum auf, und – ich glaube es nicht: es ist niemand drin; alles dunkel!
Ich bin kurz davor, zu explodieren und renne zur Rezeption. In welchem Raum die Meditation stattfindet, frage ich. „Im Raum XY!“ kommt die Antwort.
„Und warum sagt mir das keiner? Warum weiß ich das nicht?“
„Das steht im Aushang!“ kommt es kurz.
„Nein, das steht dort nicht!“ erwidere ich, mittlerweile mit saurem Unterton.
„Das
steht im Aushang!“ Nochmals kurz und unfreundlich, und es kostet mich eine Menge Beherrschung, ihr nicht in die Fresse zu schlagen. Geht´s vielleicht auch etwas freundlicher?
Vielleicht habe ich ja doch etwas übersehen? Nochmals sehe ich auf die Magnettafel, durchsuche alle Aushänge unter der Rubrik „Seminare“. Nichts!
Ich sehe mir die anderen Aushänge an, und tatsächlich, ich werde fündig:
Unter „Tagesprogramm“ stehen die verschiedenen Aktivitäten des heutigen Tages mitsamt den Raumnamen.
Aber welche Aktivitäten gehören zu meinem Seminar?
Darf ich mir das aussuchen? Baukastenprinzip?
Es ist kurz nach 20 Uhr –ich bin also wieder zu spät. Innerlich koche ich vor Wut und habe das Bedürfnis, irgendetwas zu zertrümmern!
Die zweite Aktion also, die mir entgeht.
Der nächste Punkt für heute wäre „Mantrasingen“ und „Vorstellungsrunde“.
Nein, ich habe keine Lust mehr, mich vorzustellen. Ich würde es mir sicher nicht verkneifen können, meiner Stinkwut Ausdruck zu verleihen und ohne Zweifel ausfallend werden. Noch nie zuvor hat man mich dermaßen auflaufen lassen.
Ich gehe aufs Zimmer, ziehe meine Alltagsklamotten an und verlasse das Haus. Ich muß laufen, muß mich bewegen, Energie loswerden, um nicht heute Abend noch zum Mörder zu werden.
Der heutige Tag ist gelaufen. Ich lege mich bereits um 22 Uhr aufs Ohr, überhaupt nicht meine Zeit. Sowohl die Deckenleuchte als auch die Bettlampe ist so funzelig, dass man damit nicht lesen kann. Aber ich habe eh nichts zu lesen dabei. Und ins Netz komme ich auch nicht.
Schlafen allerdings kann ich nicht, dazu kocht es zu sehr in mir. Obwohl ich die Hinfahrt von fast 3 Stunden bis zu Viv und Fynn aufgrund endloser Baustellen, Staus und Neuberechnungen des Navis reichlich stressig fand und obwohl ich mich ziemlich platt fühle, liege ich die ganze quälend lange Nacht wach. Ich schlafe nicht eine einzige Minute.
Um 6 Uhr stehe ich auf. Einen Wecker brauche ich nicht.
Was steht eigentlich für heute Morgen auf dem Plan?
Verdammt, ich weiß es nicht! Muß ich wieder zur Magnetwand laufen? Bei dem Gedanken allein wird mir schlecht. Ich fühle mich ohnehin halb tot. Zudem habe ich gewaltigen Hunger.
Vor 11 Uhr aber gibt es nichts. Und soll ich mich dann wieder in diese Menschenmenge und dieses Getümmel begeben, das ich gestern Abend angetroffen habe?
Zum Kotzen! Nein, mir reicht´s! Das ist kein zumutbarer Zustand. Ich packe meine Sachen zusammen und bringe sie ins Auto, das ich wieder erst in der Dunkelheit suchen muß. Ich will nur noch weg hier!
Das Bettzeug ziehe ich wieder ab; laut Hausordnung kann ich es in rote Körbe beim kleinen Speisesaal werfen. Also laufe ich damit eine Etage tiefer und suche die Körbe beim kleinen Speisesaal. Nichts. Egal, in welche und um welche Ecke ich sehe: hier gibt es keine Körbe.
Ein Mitarbeiter, wahrscheinlich aus dem Küchenbereich, taucht plötzlich auf. Den frage ich, wohin ich das Bettzeug geben kann.
„Hier nicht“ kommt es reichlich kurz und so unfreundlich, als hätte ich ihn mit meiner Frage aus dem Tiefschlaf gerissen.
„Hier sollen Körbe stehen, am kleinen Speisesaal“, sage ich, und mit einem ebenso kurzen und unfreundlichen „Da“ zeigt er auf den kleinen Speisesaal und zischt ab. Als ob ich den nicht schon gesehen hätte. Nur Körbe sind da nicht.
Sollen die ihren Mist eben selbst zur Wäscherei bringen! Ich bringe das Zeug wieder aufs Zimmer und kann nun endlos lange warten, bis es 8 Uhr wird.
Erst dann ist die Rezeption besetzt, erst dann kann ich den Schlüssel abgeben.
Vor mir tauchen kurz vor 8 zwei andere Damen auf, die gestern mit mir angekommen sind.
Nur einen Teil des kurzen Gesprächs bekomme ich aus einiger Entfernung mit. Sie fragen nach den Wäschekörben, die auch ich gesucht habe. Diese seien, so dringt es bis zu mir herüber, nach einer Brandschutzbegehung entfernt worden. Ihre Bettwäsche könnten sie auf dem Zimmer lassen.
Zum ersten Mal muß ich innerlich grinsen: wie es aussieht, sind es wohl zwei weitere Teilnehmerinnen, die das „Handtuch werfen“.
Schließlich gebe ich den Schlüssel ab.
„Nur abgeben?“ Mehr fragt sie nicht.
„Nur abgeben!“ sage ich.
Damit ist Yoga-Vidya für mich Geschichte.
Niemals wieder!
Niemals!